Mexiko - Französisch Polynesien 

TEIL 3: ANGEKOMMEN 

2897 Seemeilen und 26 Tage später: 

Pos: 9°48´436 S  und 139°01´916 W - Hiva Oa / Marquesas 

Um 2:30 morgens fällt unser Anker nach 26 langen Tagen auf See endlich in -  naja eigentlich vielmehr auf - einen festen, großen Korallenkopf, mit dem wir noch eine halbe Stunde lang kämpfen müssen, bevor  wir endlich sicher liegen und uns ein paar Stunden Schlaf genehmigen können. Der Einklarierungshafen auf Hiva Oa liegt ca. 15 Meilen von hier und wir wollen dort bei Tageslicht einlaufen. 

Dichte Regenwolken hängen über der Insel und der heftige Niederschlag versperrt uns die Sicht auf die saftigen grünen Hügel von Hiva Oa. Wir sind bereits kurz vor der Einfahrt, als wir von achtern die Aranui - das Inselversorgungsschiff - aus dem Nebel kommen sehen und vom Kapitän via Funk noch gebeten werden, Platz zu machen. Der Hafen Atuona ist sehr klein und die Aranui ist hier quasi manövrierunfähig. 

So legen wir uns in das Ankerfeld außerhalb vom Hafen, wo bereits mindestens ein Dutzend weitere Segler liegen. Auch hier ist relativ wenig Platz und es ist rollig - aber : 

Wir sind angekommen! 

In wenigen Tagen sind wir bereits 9 Jahre mit unserer Cayenne auf den Weltmeeren unterwegs und nun erstmals auch im Südpazifik! Dies war also unsere 4. Ozeanüberquerung - nicht unsere längste, aber es sollte eindeutig unsere langsamste werden. Die Innertropische Konvergenzzone südlich und nördlich des Äquators hielt was sie in all den Büchern verspricht: wenig bis gar kein Wind, Gewitter, Starkregen und heftige stürmische Böen gepaart mit hoher Luftfeuchtigkeit und extremer Hitze. 

Am meisten haben uns wohl die saunaartigen Verhältnisse an Bord zu schaffen gemacht. Im Schiff hatte es schon um 8 Uhr morgens 32 Grad und draußen gab es kaum ein schattiges, luftiges Plätzchen. Und es gab wenig, das irgendwie unsere Aufmerksamkeit erregt bzw. für Ablenkung gesorgt hätte: Während der gesamten Überfahrt sahen wir kein einziges Flugzeug am Himmel, nur 2 Schiffe am AIS und die 2 erwähnten Fischkutter ohne AIS. Kein einziger Funkspruch war auf Kanal 16 zu hören und wir haben auch nur einen einzigen Fisch gefangen.

Der Kapitän musste sich 2 Mal (erfolgreich) mit einem streikenden Autopiloten auseinandersetzen und ich habe mich, sofern es die Temperaturen halbwegs erlaubten, in der Pantry ausgetobt. Einige Bücher wurden gelesen, manchmal etwas Musik gehört und nachts sorgte meist ein wunderschöner Sternenhimmel für ein paar Stunden grenzenloses Staunen und Bewundern. Doch die Tage waren wirklich sehr, sehr lange. 

Fazit: 

Wir sind beide überglücklich, dass wir angekommen sind und sehr dankbar, dass diese Überfahrt ohne Schäden an Boot oder Mannschaft beendet werden konnte. Es wurde uns wieder einmal bewusst, was für ein solides und zuverlässiges Schiff wir haben und sind Henry Amel dankbar für die absolut hochseetauglichen Yachten, die er konstruiert und gebaut hat. 

Weiters ist uns wieder einmal klar geworden, wie klein und unbedeutend der Mensch doch ist im Universum. Wie stark und unberechenbar Naturgewalten sein können und wie demütig man sich ihnen beugen muss. Poseidon war uns wohlgesinnt und gnädig und all die anderen Götter waren es offensichtlich auch. 

Wir danken allen, die in Gedanken bei uns waren und die im Herzen mit uns mit gefahren sind - und last but not least danke ich meinem souveränen Kapitän. 

Ich danke ihm für seine Wachsamkeit und Vorsicht, für diese Reise und für unser abwechslungsreiches, erfüllendes Leben! 

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Hiva Oa - der Hafen Atuona

TEIL 2: 5.4.2016

Auch die darauf folgenden Tage fordern Kapitän und Crew aufs äußerste. Wir befinden uns zwar im berühmten Nordwest-Passat und können auch ganz gut unseren Kurs nach WSW halten, aber eine sehr unangenehme, achterliche Welle und ein bedeckter Himmel sind unsere ständigen, unbeliebten Begleiter. Sintflutartige Regenschauer und Starkwindböen, sogenannte Squalls mit bis zu 40 Knoten, beuteln uns so richtig her. Dazu haben wir Klimabedingungen wie in einer Dampfsauna. Wir sind permanent mit einer Schweißschicht überzogen und kämpfen mit Sonnenbränden, die wir uns trotz wolkenverhangenem Himmel zugezogen haben. Jeder einzelne Knochen tut uns weh und wir haben Knie, die sich in der Früh beim Aufstehen anfühlen wie Butter in der Sonne! Es ist wahrlich kein Honiglecken diese Tage!

Ein wunderschöner Gelbflossenthunfisch beißt in unseren Köder, kann sich aber selbst wieder vom Haken befreien und mit ihm verlässt uns auch das Petri Heil für die folgenden Tage.  Eine zweite eigenartige Begegnung  haben wir mit einem Fischkutter - wieder nicht am AIS  zu orten - wieder mitten in der Nacht. Wir hatten gerade totale Flaute, die Segel waren eingerollt, der Motor abgestellt und wir wollten uns zur Nachtruhe begeben. Auch dieser Fischkutter ist vollbeleuchtet und steuert direkt auf uns zu - meldet sich aber nicht am Funk. Wir beschließen, dass wir keine Begegnung auf offener See mit einem unbekannten Boot wollen. Wir starten und fahren nach Westen. Fast eine Stunde lang fährt der Fischkutter mit der selben Geschwindigkeit parallel neben uns. Als wir dann aber den Kurs auf 200 Grad abändern, entfernt er sich langsam in Richtung Norden.

In den nächsten Tagen sehen wir kaum Vögel, nur wenige fliegende Fische, keine Schildkröten, keine Delfine oder gar Wale, keine Seelöwen - nur eine Eier- und Orangenschale und zwei leere Plastikflaschen treiben an Cayenne vorbei und deuten darauf hin, dass da noch wer in den Weiten des Pazifiks unterwegs ist. 

Die Nächte sind schwül und der Mond lässt sich auch nicht mehr blicken.  Der pechschwarze Himmel ist übersät mit hunderttausenden Sternen - wir sind fast am Äquator und so können wir den gesamten Himmel beobachten. Manche dieser Sternbilder kann man auf der Nordhalbkugel niemals sehen. Völlig problemlos erkennen wir hier mitten in der Milchstraße das Kreuz des Südens - dann das falsche Kreuz im Sternbild Segel und natürlich den großen Wagen, Orion usw. 

Seit gestern kommt der Wind aus einer anderen Richtung. Es hat den Anschein, dass wir bereits mit dem Südost-Passat segeln, den wir eigentlich erst nach Durchbruch der Kalmen erwartet hätten. Wir sind auf 2 Grad Nord und werden wahrscheinlich morgen erstmals den Äquator überqueren. Aus diesem Grund habe ich heute bereits Apfelkuchen gebacken, eine gute Flasche Sauvignon Blanc liegt im Kühlfach, der Rote Beete-Kartoffelsalat ist vorbereitet und ich warte nur noch auf den großen Catch fürs Dinner. Stundenlang sitzen wir am Vorschiff, sehen den riesigen Pazifikwellen zu, wie sie Cayenne langsam heben und senken und in Richtung Süden schieben. Stefanie Werger, Pavarotti, Willi Nelson und Jimmy Buffet begleiten uns den ganzen Tag mit ihren wunderschönen Liedern und wir lassen die Seele baumeln und die Gedanken schweifen.

 

Wir sind uns einig: Wunderschön ist sie, so eine Ozeanüberquerung ;-)

TEIL 1 - Überfahrt: 

Antonio von der Marina Fonatur besorgt den Stempel für unser Klarierungspapier beim Hafenmeister, auf dem da steht: next destination: Hiva Oa / F.P. Das Zarpe (das Papier für die internationale Ausklarierung) kann hier in San Blas nicht ausgestellt werden. Nachdem wir von mehreren Freunden erfahren haben, dass in den Marquesas die Behörden nicht danach fragen, zumindest nicht, solange man Staatsbürger eines EU-Raumes ist, haben wir uns entschlossen, auf dieses Papier zu verzichten. 

Um 7 Uhr morgens sind die Bedingungen genial, um die tückische Hafeneinfahrt zu passieren. Kaum Schwell und der Wasserstand ist 1 m über normal. Ohne Probleme erreichen wir die offene See und können auch gleich Segel setzen. Die folgenden 3 Tage brauchen wir diese auch nicht mehr oft zu verstellen, was gut ist, denn mein Kapitän hat sich leider noch am letzten Tag an Land eine äußerst schmerzhafte Zerrung am linken Fuß zugezogen. Die folgende Woche wird er fast ausschließlich auf der Couch mit hochgelagertem, stark angeschwollenem, Bein verbringen. 

Der Stille Ozean hält was er verspricht: er ist sehr ruhig und wir rauschen mit einer herrlichen Brise aus NNW auf beinahe spiegelglatter See in Richtung WSW. Die berühmten Isla Revilla Gigedo sind genau auf unserem Kurs und so beschließen wir spontan uns dort ein oder zwei Nächte auszuruhen. Wir wissen, dass es auf Socorro, der Hauptinsel, einen Militärstützpunkt gibt und dass man mit ziemlicher Sicherheit eine Genehmigung braucht, um diese Inseln  betreten zu können. Irgendwo im Internationalen Seerecht steht aber auch etwas geschrieben, wonach man als Seefahrer das Recht hat, überall auf der Welt, auch ohne Genehmigung, zumindest bis zu 36 Stunden sich aufzuhalten, um sich auszuruhen oder etwaige Hilfe in Anspruch nehmen zu können...

Nach 374 Seemeilen fällt unser Anker dann auf Pos 18°43´71 N und 110°56´ 339 W im Süden der malerischen Insel Socorro in tiefblaues Wasser. Unsere amerikanischen Freunde werden hier in einem Monat ihren Tauchurlaub verbringen und wir schreiben ihnen gleich eine Mail über SSB, welch wunderbares paradiesisches Fleckchen sie hier erwartet. Dann schlafen wir 12 Stunden ohne Unterbrechung durch! Den nächsten Tag verbringen wir ebenfalls nur im Cockpit und beobachten die Delfine und die vielen bunten Fische in der kleinen Bucht und beschließen noch einen Tag zu bleiben. Um 17 Uhr bekommen wir dann aber ungebetenen Besuch: 6 Soldaten vom Marinestützpunkt kommen mit einer kleinen Panga angerauscht, 3 springen an Bord, 1 mit einer Maschinenpistole im Anschlag! Ein komisches Gefühl sag ich Euch.

Der Soldat mit dem Namensschild „Venancio“ setzt sich zu uns ins Cockpit und fragt höflich nach unseren Papieren. Er spricht nicht eine einzige Silbe Englisch und konzentriert sich auf unsere Pässe, das temporäre Permit für Cayenne (ein sehr wichtiges Dokument in Mexiko, das bestätigt, dass das Schiff für 10 Jahre die Genehmigung hat, sich in mexikanischen Gewässern aufzuhalten) und all die anderen Bootspapiere. Dann fragt er uns nach dem Permit für diese Insel. Wir dürften ohne Genehmigung nicht hier sein. Um das Ganze kurz zu machen, wir haben keines und so erwähne ich diese Internationale Regel, wonach man sich ja 36 Stunden….. Er scheint diese Regelung zu kennen und bietet uns an, dass wir auf der anderen Seite der Insel ankern können. Aber nur noch diese eine Nacht, weil wir wären ja bereits gestern zu Mittag hier angekommen…. (Natürlich wurden wir beobachtet!)

Man wünscht uns noch eine gute Reise und nach einer Stunde sind die Männer wieder weg. Und wir auch. Kaum ist der Anker gelichtet und die Segel gesetzt, füllt diese auch schon wieder ein schöner abendlicher Nordwestwind und wir denken gar nicht mehr daran, gegen diesen schönen Wind anzukämpfen, um auf die andere Seite der Insel zum angebotenen Ankerplatz zu gelangen. 

Die folgenden Tage sind mühsam. Wir haben nur wenig Wind und werden ordentlich durchgebeutelt. Außerdem gibt dann in der 2 Nacht auch noch der Autopilot seinen Geist auf und während der Kapitän unseren Reserveantrieb einbaut, sitzt die Crew - zum Glück nur 2 Stunden - am Steuer. Kaum auszudenken, wenn wir keinen Autopilot hätten auf dieser langen 2800 Meilenstrecke und womöglich immer jemand Tag und Nacht - 24 Std. lang - am Steuer sitzen müsste! 

Am Ostersonntag sehen wir abends nach Sonnenuntergang ein Licht am südwestlichen Horizont, das wir uns nicht erklären können. Am AIS ist nichts zu sehen und es dauert noch einige Stunden bis wir das Rätsel lösen können. Um 1:45 Uhr morgens sehen wir den vollbeleuchteten Fischer ca. 5 Meilen vor uns. Komisch ist nur, dass dieses riesig große Ding - Hannes schätzt den Kutter so 150 Fuß lang, nicht am AIS zu sehen war…. Wir sind froh, als wir ihn einige Stunden später wieder aus unserem Blickwinkel verloren haben und wieder nur auf uns aufpassen müssen.

 

Isla Revilla Gigedo 23.3.2016